Vom großen Schnee-Chaos, das viele Tage lang Oberbayern fest im Griff hatte, blieb auch der Neujahrsempfang in Klubhaus am Kanonengraben nicht verschont. Zwar war es hier eigentlich so, wie es schon Tradition ist: Der Saal festlich, das Festmenü köstlich, der Service perfekt und die Stimmung bestens. Nur der Ehrengast kam diesmal deutlich später. Denn das Flugzeug, das Daniel Bahr von München nach Münster bringen sollte, konnte wegen des Schneesturms erst Stunden später starten. So musste das Vorstandsmitglied der Allianz Krankenversicherung und frühere Bundesgesundheitsminister lange Zeit auf dem Münchner Airport verharren. In seiner alten Heimatstadt kam Daniel Bahr daher erst an, als im Festsaal bereits der Hauptgang genossen wurde.
Es sei „so schön, mal wieder richtig in Münster zu sein“, meinte er denn auch zu Beginn seiner Festrede, die politische und wirtschaftliche Gedanken verband. Als „Berufsoptimist“ erwarte er ein im positiven Sinne spannendes neues Jahr. „Ich glaube nicht, dass am Ende der Brexit tatsächlich kommen wird“, sagte Daniel Bahr wenige Tage vor der Abstimmung im britischen Unterhaus. Von der Verrohung der politischen Debatten zeigte er sich erschüttert. „Dies macht mir keine Lust mehr auf Politik.“ Dass die Europawahl im Mai zu einer Protestwahl werden könne, bereitet dem Freien Demokraten große Sorge. Er forderte den Mittelstand auf, sich stärker für ein freiheitliches und demokratisches Europa zu engagieren.
Daniel Bahr, der dem Allianz-Vorstand in München nun seit zwei Jahren angehört, hatte als erster Bundesgesundheitsminister die wachsenden Probleme bei der Pflege zum Thema gemacht. In seiner Neujahrsansprache trat er dabei für mehr Zuwanderung von Pflegekräften aus dem Ausland ein. „Der demografische Wandel ist ein Faktum, das nicht mehr korrigiert werden kann. Daher müssen wir uns darauf einstellen“, sagte er. Die Angst davor, zu seinem Pflegefall zu werden, sei in Deutschland besonders groß. „Dennoch sorgen immer noch viel zu wenig Bundesbürger für den Fall des Falles vor“, berichtete Daniel Bahr. Mit der Gesundheit sei das so wie mit der Freiheit. „Wie wichtig sie sind, merkt man erst, wenn sie fehlen.“
Der Präsident des Zwei-Löwen-Klubs Dr. Georg Hünnekens blickte in seiner Ansprache mit Sorge auf das vergangene Jahr zurück. Denn die „Entwicklung zum Populismus und die Abkehr weiter Bevölkerungskreise von der Rationalität und ihr schwindendes Vertrauen in demokratische Prozesse und die Institutionen des Rechtsstaates“ habe sich fortgesetzt und verstärkt. Besonders erschreckend seien für ihn die Ereignisse im Hambacher Forst gewesen. „Sie waren ein dramatisches Signal für den verlorenen Respekt vor demokratisch und rechtsstaatlich getroffenen Entscheidungen“, sagte er.
Mut gemacht haben dem ZLK-Präsidenten dagegen die Menschen in Münster mit ihrer vorbildlichen Reaktion auf die verheerende Amokfahrt im Frühjahr vergangenen Jahres. „Die Wahnsinnstat hat sie zusammenrücken lassen. Besonnen wurden die Anweisungen von Polizei und Hilfsdiensten befolgt und umgesetzt“, hob Georg Hünnekens hervor. Auch die langen Schlangen vor dem Blutspendedienst an der Uniklinik werde er nicht vergessen. „Das steht für Empathie statt Voyeurismus und gelebte Solidarität statt Egozentrik.“
Uwe J. Tönningsen